CC Möller: Mehr als ein Jahr nun erleben wir die Gesellschaft und auch unser kirchengemeindliches Leben im Ausnahmezustand. So manche unserer Aktivitäten und Gruppen in der Kirchengemeinde sind im Leerlaufmodus oder fahren auf Sparflamme. Logisch: Das tut natürlich weh, insbesondere weil sich in den Monaten und Jahren zuvor so viele neue Aufbrüche und positive Entwicklungen in unserer Gemeinde ergeben haben.

Mirko Neuhaus: Ja, das stimmt! Aber zugleich hat sich im letzten Jahr so manch neue Tür im gemeindlichen Leben überraschend geöffnet. Und für mich als ehrenamtlicher Mitarbeiter ist es absolut spannend, zu erleben, wie wir in dieser schwierigen Zeit plötzlich auf ganz neuen und z.T. ungewöhnlichen Wegen Menschen erreichen können – lebendige Kirchengemeinde auf ganz andere Weise leben! Eine große Tür – von der wir letztes Mal schon sprachen – hat sich mit den digitalen Möglichkeiten, dem Internet aufgetan. Dazu gehören regelmäßige Onlinegottesdienste und Onlineandachten in unterschiedlichen Formaten, täglich ein geistlicher Impuls, der per Mail verschickt wird, der 7-teilige Glaubenskurs mit Pastor Mehnert, der jetzt im Netz steht. Und auch für die Zukunft planen wir bereits jetzt neue Projekte.

CC Möller: Selbstverständlich ersetzt das Internet nicht das normale gemeindliche Leben mit Präsenzgottesdiensten, zwischenmenschlichen Begegnungen und Gespräch. Das ist klar! Aber wir handhaben es nach dem Motto „das Eine tun und das Andere nicht lassen“. So haben wir letztes Jahr über Monate jeden Sonntag drei Präsenzgottesdienste angeboten, um niemanden abweisen zu müssen. In der Zeit, wo die Kirche wieder geschlossen werden musste, haben wir stattdessen Sonntag für Sonntag „Vor-Der-HaustürAndachten“ angeboten (i.d.R. 8-10 Andachten pro Sonntag) – frei nach dem Motto „Wenn die Menschen nicht zur Kirche kommen können, dann kommt die Kirche halt zu den Menschen“.

Mirko Neuhaus: Außerdem wird der geistliche Impuls nicht nur per Mail versandt, sondern auch täglich im Schaukasten ausgehängt, vor der Kirche zum Mitnehmen ausgelegt und landet dazu noch in über 20 Briefkästen in der Nähe der Gemeinde. Unsere „LadenKirche“ – als besonderer Ort der Begegnung – wurde im Sommer offiziell eingeweiht. Und nicht zu vergessen die Osteraktion (siehe Artikel von Katharina Thies), die Gartengottesdienste, die wir in diesen Monaten anbieten und das neue Gottesdienstformat „Bunte Gemeinde“ (wahrscheinlich bald wieder sonntags um 16:00, wie in den Herbstmonaten). Im Übrigen ist auch unsere Gemeindebücherei die ganze Zeit rege gewesen. Mitarbeiterinnen haben zeitweise Bücher zu den Stammkunden nach Haus gebracht und jetzt ist die Bücherei wieder geöffnet, werden wieder in verantwortlichbarer Weise Bücher ausgeliehen (siehe Artikel Sybille Wellnitz) 

CC Möller: Das hört sich jetzt fast ein bisschen prahlerisch an, wenn wir so ins Schwärmen geraten. Da muss man der Ehrlichkeit halber aber sagen, dass viele dieser Entwicklungen „nicht auf unseren bzw. meinen Mist gewachsen sind“. Damit meine ich: Manchmal waren ganz simple Fragen von Gemeindegliedern, oder das Entdecken bestimmter Dynamiken im gottesdienstlichen Leben, oder unscheinbare Bemerkungen von Freunden der Gemeinde oder auch Impulse von ehrenamtlichen Mitarbeitern Auslöser dessen, was dann geworden ist. Und oft waren wir dann im Nachhinein nur überrascht und beglückt, womit wir da wieder beschenkt worden sind. 

Mirko Neuhaus: Und was auch bemerkenswert ist: Die Impulse kommen oft nicht nur von Gemeindegliedern, Freunden der Gemeinde und Ehrenamtlichen. Viele der obigen Aktivitäten werden dann auch von Ehrenamtlichen gestemmt. Wir haben auf ganz anderer Ebene auf einmal eine Zunahme ehrenamtlichen Engagements. Und dabei tauchen auch viele „neue Gesichter“ auf, damit meine ich: Menschen, die zuvor nicht so sehr im Vordergrund standen. Allein bei den Andachten, die ausnahmslos alle von Ehrenamtlichen geleitet werden, ist manch neuer dabei und auch vermehrt junge Menschen. Und was die „neuen Gesichter“ betrifft, ist es auch spannend zu entdecken, dass durch unser vielfältiges Internetangebot, die feiernde Gemeinde wächst: Gemeindeglieder, die bisher zurückhaltend waren, Außenstehende, Christen anderer Konfessionen oder aus anderen Teilen Deutschlands und auch Christen im Ausland nehmen unser Internetangebot dankbar an. 

CC Möller: Schon letztes Mal habe ich deshalb davon berichtet, dass ich unsere Gemeinde als „kreative Backstube“ erlebe. Manchmal werde ich dann von Gemeindegliedern etwas ängstlich mit Blick auf den Kirchengemeindeverband gefragt, ob die vier Gemeinden denn jetzt doch in kleinen Schritten langfristig fusionieren werden und dann zukünftig nur noch eine Großgemeinde mit einem Kirchenvorstand bestehen wird. Und ob dann nicht doch vieles von dieser dynamischen und kreativen Gemeindearbeit verloren gehen würde. An dieser Stelle kann ich dann nur beruhigen: Schon seit vielen Jahren arbeiten die vier Gemeinden zusammen und werden das auch in geschwisterlicher Weise weiter tun. Und auch wenn wir ein paar genau definierte Aufgaben an den Kirchengemeindeverband abgegeben haben, werden wir unsere Selbstständigkeit als Kirchengemeinde, die Rahmen und Mutterboden für Dynamik und Kreativität ist, auf gar keinen Fall aufgeben, sondern mit viel Freude weiterhin lebendige Gemeinde leben.

Vorstandsvorsitzender Mirko Neuhaus und Pastor CC Möller