Über Jahrzehnte gab es bei uns im Kirchenkreis die Tschernobyl-Ferienaktion. Jedes Jahr schickten weißrussische Familien ihre Kinder für vier Wochen nach Deutschland, wo sie in deutschen Familien untergebracht waren und ein abwechslungsreiches Programm erlebten. Für mich – als Beauftragten für die Tschernobyl-Ferienaktion (in der Zeit 2009-14) – war das ein äußerst beglückendes Erlebnis, denn das Wüten der deutschen Wehrmacht war gerade auf weißrussischem Boden besonders unerträglich. Und grad mal fünf Jahrzehnte später fingen die Menschen aus Weißrussland an, uns Deutschen das Kostbarste anzuver-trauen, was sie haben: Ihre Kinder. Unglaublich, wirklich unglaublich!!!
Noch tiefer hat mich berührt, dass nach dem Mauerfall viele, viele Juden aus der ehemaligen Sowjetunion ausgerechnet zu uns nach Deutschland gezogen sind, in das Land der Täter, von dem Jahrzehnte zuvor eine hemmungslose Gewalt, Entwürdigung und Entmenschlichung aller Juden ausgegangen ist. Und mehr noch: Das Land, in dessen Namen alle Juden, derer man habhaft werden konnte, ausgerottet wurden.
Es war deshalb nur zum Staunen, Staunen, Staunen und Freuen, dass mit einem Mal wieder jüdisches Leben mitten unter uns Deutschen aufblühte und jüdische Mitbürger in aller Freiheit ihre Kultur – und so sie denn gläubig sind – ihren jüdischen Glauben leben konnten. Was für ein großartiges Geschenk für uns Deutsche!
Unerträglich, aber wirklich unerträglich ist deshalb die Entwicklung innerhalb unseres Landes – nicht erst seit Oktober 2023 (aber seitdem massiv) – dass jüdische Mitbürger erneut mit Angst aus dem Haus gehen müssen und anfangen, ihre Identität zu verstecken, weil es vermehrt Situationen gibt, wo Juden bedroht, bespuckt und geschlagen werden. Und das auf-grund dessen manch einer von ihnen darüber nachdenkt, unser Land zu verlassen, weil es nicht mehr sicher bei uns ist, das ist zum Heulen!
Wo werden wir als Gesellschaft „hinwandern“, wenn wir da gleichgültig zuschauen und zulassen, das der Wüterich aus allen möglichen Winkeln (unterschiedlichen politischen oder auch religiösen) unwidersprochen und ungehindert sein düsteres Handwerk in Wort und Tat treiben kann, Judenhass schürt – und sei es auf sehr subtile Weise.
Deswegen bitte ich Dich, lieber Leser/liebe Leserin, egal wer Du bist, egal welchen kulturellen oder religiösen Hintergrund Du haben magst: Wenn Du dieses Land lieb hast, dann hilf bitte mit! Halte Dich nicht zurück sondern zeig Flagge und das bitte nicht nur, wo es gegen Juden unter uns losgeht, sondern wo immer es anfängt, dass Menschen im Alltag entrechtet werden oder ihnen in Wort oder Tat Gewalt angetan wird.
CC Möller
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